“Ewiger Freund” aller Muslime
Auf den Spuren der Aramäer Archäologe, Diplomat, Dschihadist: Das abenteuerliche Leben des Orientforschers Max Freiherr von Oppenheim.
Von Andrea Böhm
30. Oktober 2017, 17:05 UhrZEIT Geschichte Nr. 4/2017, 17. Oktober 2017183 Kommentare
INHALT
- Seite 1 — Auf den Spuren der Aramäer
- Seite 2 — “Ewiger Freund” aller Muslime
- Seite 3 — “Abu Dschihad” dient sich dem NS-Regime an
Vielleicht stimmt es ja, dass die Lektüre eines Buches den Lebensweg eines Menschen bestimmen kann. Ein Junge, gerade einmal elf oder zwölf Jahre alt, verschlingt die Märchen aus Tausendundeine Nacht und weiß von da an, dass er in den Orient aufbrechen wird. So hat Max von Oppenheim später den Anfang seiner Forscherkarriere erzählt, an der sich bis heute die Geister scheiden. Wer war dieser Mann, der eine der spektakulärsten Entdeckungen in der Geschichte der Archäologie machte, eine Enzyklopädie über das Leben der Beduinen verfasste, die Araber im Ersten Weltkrieg zum Dschihad gegen die Briten anstacheln wollte und sich in Kairo einen Harem hielt? Ein begnadeter Orientforscher, ein gewiefter Diplomat? Ein politischer Brandstifter, ein Ausbeuter? Eine tragische Figur?
Zunächst einmal ist Max von Oppenheim, geboren 1860, ein Glückskind. Vater Albert, schwerreicher Mitinhaber der Privatbank Salomon Oppenheim, und Mutter Paula lassen den Sohn ziehen, der eigentlich ins Unternehmen einsteigen sollte, finanzieren ihm erste Reisen nach Konstantinopel und Marokko. Da ist er Mitte 20, ein glühender Patriot aus dem noch jungen Deutschen Kaiserreich, der sich aber in den Gassen des Maghreb heimischer fühlt als in den Villenvierteln Kölns. Pflichtbewusst absolviert er nach seiner Rückkehr von der ersten großen Reise noch das Jura-Studium. 1892 aber zieht er nach Kairo und bricht von dort zu immer längeren Expeditionen in die Wüste auf. Er lebt bei und mit den Beduinen, deren Alltag er in den folgenden Jahren akribisch dokumentieren, aber auch verklären wird.
“Wie die Wüstensteppe seit Jahrtausenden dieselbe geblieben ist”, schreibt Oppenheim, so sei auch der Beduine “von Europas Kultur noch unbeleckt”. Ein kriegerisches, primitives, aber gastfreundliches “Herrenvolk” sieht er da vor sich. Echte Männer mit Mut und Ehrgefühl, keine verweichlichten europäischen Salonlöwen.
Diese Mischung aus wissenschaftlicher Neugier und Romantisierung war durchaus typisch für Oppenheims Zeit. Der Orient und der Islam hatten im Europa des 19. Jahrhunderts die Bedrohlichkeit vergangener Epochen verloren. Man blickte nun mit wissenschaftlichem Paternalismus und kolonialer Ambition auf die Region. Schon Napoleon hatte seine Ägypten-Expedition 1798 mit einem republikanischen Erziehungs- und Forschungsprojekt verknüpft. Als Oppenheim ein Jahrhundert später zu seinen ersten Reisen aufbrach, war das Entdecken und “Entschleiern” der arabischen Welt (bis hin zur Abbildung nackter muslimischer Frauen und zu Besuchen in Mekka) längst en vogue. Ihre Unterwerfung auch. Frankreich hatte 1881 Tunesien besetzt, Großbritannien ein Jahr später Ägypten. Gleichzeitig wurde der “unzivilisierte Orient” zur Projektionsfläche für Europäer, die sich, verunsichert von der rasanten Modernisierung ihrer eigenen Gesellschaften, zur vermeintlichen reinen Ursprünglichkeit der Unterworfenen hingezogen fühlten. Wie Oppenheim zu den Beduinen.
Doch ebenso groß wie seine Sehnsucht nach der Wüste ist auch sein Wunsch nach einer Rolle in der großen Politik: Diplomat im Nahen Osten ist immer Oppenheims eigentliches Berufsziel geblieben. Qualifiziert ist er mit seinem Studium, seinen Kontakten sowie seinen Sprach- und Landeskenntnissen allemal.
Zwei Mal bewirbt er sich um Aufnahme in den diplomatischen Dienst. Beide Male wird er abgelehnt. Den Grund erfährt er nie, aber er ahnt ihn vermutlich. Man könne das diplomatische Corps nicht mit “einem Judenbengel” brüskieren, schreibt Herbert von Bismarck, Sohn des Reichskanzlers und damals Staatssekretär im Auswärtigen Amt, im September 1887 in einem Brief. Dass Oppenheim katholisch ist, seine Mutter aus einer christlichen Familie stammt, sein Vater vom Judentum zum Katholizismus konvertiert ist, spielt keine Rolle. Für Antisemiten ist das Judentum bereits zu dieser Zeit keine Konfession mehr, die man ablegen kann, sondern eine “Rasse”, die sich vererbt.
Oppenheim jedoch lässt sich davon nicht bremsen. Er schützt sich zeit seines Lebens mit einer fast schizophrenen Verdrängung des Hasses gegen Juden – und durch seinen unbändigen Tatendrang. In Kairo hat er sich ein fürstliches Haus im orientalischen Stil eingerichtet, und seine Partys dort sind the talk of the town. Hier treffen sich im Salon ägyptische Nationalisten, arabische Intellektuelle, europäische Diplomaten und Adelige. Bald argwöhnen die britischen Kolonialbehörden, dass dieser Deutsche sich nicht nur für Archäologie und Beduinen interessiert, sondern Nachrichten nach Berlin weitergibt. Was stimmt, denn die detaillierten Berichte des “Judenbengels” findet man im Auswärtigen Amt dann doch interessant genug, um Oppenheim eine untergeordnete konsularische Stelle zu geben. https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2017/04/max-freiherr-von-oppenheim-orientforscher
Der Bankierssohn und die Wüste
Max von Oppenheim war Diplomat, Beduinenforscher und Archäologe aus Leidenschaft – sein Werk wird jetzt wiederentdeckt. ELKE LINDA BUCHHOLZ
- Der Aufruf zum Heiligen Krieg kam aus Berlin: „El Dschihad“ prangt in großen Lettern auf einer während des Ersten Weltkriegs gedruckten Postille. Die Zeitschrift sollte an islamische Kriegsgefangene verteilt werden. Dahinter stand einer der besten Orientkenner seiner Zeit: Max Freiherr von Oppenheim. Hatte die Begeisterung für die islamische Welt dem Bankierssohn endgültig den Kopf verdreht? Heute erscheinen manche seiner Ideen bizarr. Doch damals wusste sich Oppenheim im Einklang mit der Orientpolitik des Kaiserhauses. Bald nach Kriegsausbruch legt er dem Auswärtigen Dienst eine geheime Denkschrift vor. Man müsse in Ägypten, Persien, Afghanistan und Indien einen Aufstand gegen die europäischen Kolonialherren anzetteln, um den Kriegsgegner England zu schwächen. In offiziellem Auftrag baute Oppenheim eine „Nachrichtenstelle für den Orient“ mit achtzig Zweigstellen auf. Dort lagen Propagandabroschüren in Landessprachen und comicartige Flugblätter für Analphabeten aus. Sogar Filme wollte Oppenheim einsetzen: moderne Massenmedien zur Aufwiegelung der Massen. Doch das groß angelegte Projekt verlief im Sande. https://www.tagesspiegel.de/kultur/max-von-oppenheim-der-bankierssohn-und-die-wueste/3744046.html
Max (Freiherr) von Oppenheim (15 July 1860 in Cologne – 17 November 1946 in Landshut) was a German lawyer, diplomat, ancient historian, and archaeologist. He was a member of the Oppenheim banking dynasty. Abandoning his career in diplomacy, he discovered the site of Tell Halaf in 1899 and conducted excavations there in 1911-13 and again in 1929. Bringing many of his finds to Berlin, he exhibited them in a private museum. This was destroyed by Allied bombing in World War II. However, most of the findings were recently restored and have been exhibited again at Berlin and Bonn.
Oppenheim was a controversial figure before and during World War I because he was considered a spy by the French and British. He did in fact engage in anti-Allied propaganda, aimed at stirring up the Muslim populations of the Allied-controlled territories against their colonial masters.
Early life
Max Oppenheim was born on 15 July 1860 in Cologne as the son of Albert Oppenheim [de] and Pauline Engels. Albert Oppenheim, a member of the Jewish Oppenheim family of bankers had converted to Catholicism in 1858 to marry Catholic Pauline Engels, from an established Cologne merchant family. In 1867, Max’ grandfather, Simon, was awarded the title of Freiherr (Baron) in Austria-Hungary. As the title was also valid in Prussia, the family now styled itself “von Oppenheim”.[1]:16,21
Max grew up as one of five siblings and from an early age he was exposed to art, as his father was an avid collector and patron of the arts. Although his father wanted him to work in the banking house of Sal. Oppenheim, Max had other ideas. According to his unpublished memoirs, it was a Christmas gift of The Thousand and One Nights that first gave rise to his interest in the East. Max attended school at Cologne from 1866–79, finishing with the Abitur at the Apostel-Gymnasium. He then followed the wish of his father and began to study law at the University of Strasbourg. However, rather than study, he spent most of time at the Studentenverbindung “Palatia [de]”. He then transferred to Berlin University but his lack of academic progress caused his father to recall him to Cologne where he finished his 1. Staatsexamen and the doctoral exam in 1883. During his time as Referendar he learned Arabic and began to collect Oriental art.[ At that time, Max also did his military service in the 15th Uhlan Guards regiment. He finished his Referendariat in 1891 by passing the exam as Assessor. https://en.wikipedia.org/wiki/Max_von_Oppenheim